„Ist der Erwin noch da?“

19.02.21, 08:10
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Martin Schäfer
Pressemeldung KJA LRO Erwin Klapper 111242 webqualität

„Das wird schlimm für mich, wenn Erwin geht“, sagt Udo Vogelfänger direkt als Erstes. Er leitet das Jugendwohnen St. Engelbert in Leverkusen für die Katholische Jugendagentur LRO. Seit 20 Jahren arbeiten Udo Vogelfänger und Erwin Klapper zusammen. „Mit ihm geht ein Stück Geschichte hier aus dem Haus.“

Dabei sieht Erwin Klapper kein bisschen wie ein Stück Geschichte aus. Man muss zwei Mal hinschauen, so munter und jung wirkt er. Das kann doch kein Rentner sein? „Doch, ich wollte eigentlich Priester werden und hatte das Theologie-Studium abgeschlossen. Dann habe ich mich umentschieden. Seitdem bin ich hier“, bestätigt Erwin Klapper seinen Lebenslauf. 

St. Engelbert ist ein Jugendwohnheim, das 68 Kinder und Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren beherbergt. Seit 20 gehört es unter das Dach der Katholischen Jugendagentur LRO, doch es existiert bereits seit 1955. Damals noch unter dem Namen „Heimstatt St. Engelbert“. 

Schon lange ist Erwin Klapper für die älteren Jugendlichen im Haus zuständig. Er bereitet sie auf die Selbstständigkeit vor und hilft ihnen, Fuß im Arbeitsleben zu fassen. Etwa 1.000 Jugendliche hat er in seiner Zeit hier betreut. Das ist eine Lebensleistung, die nachwirkt. 

 „Wenn ich heute durch Leverkusen gehe, werde ich oft angesprochen von Ehemaligen“, erzählt Erwin Klapper, der sich über diese Begegnungen immer freut. „Manchmal muss ich nach dem Namen fragen, um mich richtig zu erinnern. Aber es ist immer toll, wenn sie mir sagen, dass sie ihre Zeit hier in guter Erinnerung haben.“

Viele von ihnen sind in der Gegend geblieben und haben jetzt eigene Geschäfte oder Boutiquen. Etliche sind Handwerker geworden. Es ist schon passiert, dass ein gestandener Installateur um die 50 die Heizung in St. Engelbert repariert und beim Einpacken fragt: „Ist der Erwin noch da? Ich hab‘ hier mal gewohnt.“  Ein anderer ehemaliger Bewohner ist Filialleiter eines Supermarktes geworden und schenkt dem Haus öfters eine Ladung Schokolade für die Bewohner. „Es gibt auch ein paar sehr nette Döner-Läden-Besitzer hier in Leverkusen, die ich schon kannte, als sie noch Teenies waren. Die wollen mich nie ohne einen kostenlosen Döner durch die Stadt gehen lassen“, schmunzelt Erwin Klapper.

Auch andere Menschen sind wichtig. Ein richtiges Netzwerk, in dem Erwin Klapper sich seit knapp 40 Jahren bewegt: Die Kollegen in der KJA, Lehrer, mit denen er sich über seine Jugendlichen austauscht. Mitarbeiter des Jugendamtes und Streetworker, die fast zu Kollegen geworden sind. Chefs von Unternehmen, die Jugendliche aus St. Engelbert als Azubis oder Praktikanten aufnehmen. „An dem Sprichwort ‚man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen‘ ist definitiv was dran“, erklärt Erwin Klapper. 

Die Arbeit hat ihn geprägt. Er weiß schnell, wen er vor sich hat und reagiert auch prompt. Immer wieder hat er neue Kinder und Jugendliche im Haus aufgenommen – und unter seine Fittiche. Und er verabschiedet sie auch wieder. „Wir hatten Leute hier, die wollten wir nie wieder gehen lassen. Aber auch die sind gegangen. Und dann sind wieder neue Jugendliche gekommen, und mit denen startest du auch wieder voll durch. Bekommst neue Impulse“, so beschreibt Udo Vogelfänger das Leben als Pädagoge im Jugendwohnen. Das Ergebnis ist eine große innere Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit. Die spürt man auch bei Erwin Klapper sofort. 

Nicht immer läuft alles glatt. Nicht alle Jugendlichen können in eine gute Zukunft entlassen werden. Das ist bitter und ein echter Stachel im Herz. Es gibt Konflikte und zugespitzte Situationen, die ihn noch lange nachher geschmerzt haben. Trotzdem sieht Erwin Klapper seine Zeit in St. Engelbert so: „Ich habe den tollsten Job der Welt. Ich verabschiede Menschen ins Leben. Ich bin dann Teil ihrer Geschichte.“ Ganz zum Schluss lüftet er sein Geheimnis. „Wenn man sich wirklich drauf einlässt, auf die Jugendlichen, dann denkt man anders, bleibt offener. Das hält jung.“ 

„Ist der Erwin noch da?“ - Ab März 2021 muss diese Frage mit: „Nein, der ist jetzt leider in Pension“, beantwortet werden. Wir bedanken uns herzlich bei unserem lieb gewonnenen Kollegen Erwin für die vielen Jahre, die er seine Arbeit in Treue zu den Jugendlichen geleistet hat. Seine Lebensleistung ist ein großes Symbol für die Jugendhilfe.